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The Future of Banking: Wem gehört der Kundenkanal?

The Future of Banking: Wem gehört der Kundenkanal?

Im Zuge der rasanten technologischen Entwicklungen verändert sich das Produktangebot und wird virtueller – weitgehend geprägt durch eine vom Angebot umgebene sich zunehmend digitalisierende Servicelandschaft. Mit Blick auf die aktuellen Entwicklungen stellt sich die entscheidende Frage: Wer behält den Kundenkanal und damit den Zugang zur Zielgruppe?

Es wäre realitätsfern zu glauben, im deutschen Banking-Wettbewerb käme man an den großen Playern wie Apple und Google vorbei, die die Customer Experience allgemein in eine neue Ebene heben. Warum sollte es in Deutschland anders zugehen? Allein bei einem Zahlungsverkehr über eine per Smartphone verwaltete digitale Geldbörse kann es nicht bleiben. Die regulatorischen Vereinheitlichungen im EU-Raum dürften die Wettbewerbssituation dabei eher verschärfen als entspannen: die für einen bestimmten Markt entwickelten Lösungen werden nicht länger auf diesen beschränkt bleiben. Das treibt auch die Digitalisierung, die Zugangsbarrieren herabsetzt und dem Anwender mehr Möglichkeiten zum Produktvergleich schenkt. Und das gilt auch für die Bank an sich, wenn sich der Verbraucher sicher sein kann, dass sein Geld bei einer anderen Bank genauso gut aufgehoben ist, wie bei einer inländischen. In welchem Land das Girokonto dabei eröffnet wird, hat für den Kunden durch den digitalen Zugang keine Priorität.

 

Entscheidender Wettbewerbsfaktor Kundenerlebnis

Insgesamt entwickelt sich das Kundenerlebnis zum entscheidenden Wettbewerbsfaktor, während die Differenzierungsmöglichkeiten allein über das Produkt abnehmen. Einen USP über das Produkt zu erzielen, dürfte kaum noch einem Institut gelingen. ING-Chef Hamers nennt Mobile First, Kundenerlebnis, Plattformtechnologie und Offenheit für Partner als entscheidende Erfolgsbedingungen für die Bank der Zukunft (vgl. Handelsblatt 2017). Er beschreibt das Modell einer Sales Bank, die aktiven Kundenkontakt pflegt und mit ebenso praktischen wie intuitiv gestalteten Apps gewissermaßen zum Frontend für Institute würde, die sich zu Produktionsbanken entwickeln und kosteneffizient Finanzprodukte für den Massenmarkt liefern könnte (vgl. ebd.). Ähnlich wie heute bereits von Anbietern Strom erworben werden kann, die selbst keinen Strom produzieren, soll es künftig auch Banken geben, die keine ureigenen Bankprodukte anbieten.

Der Mittelweg aus beiden Welten dürfte dagegen immer steiniger werden. Zwischen den Spezialisten für Produkte und den Spezialisten für den Kundenkanal werden die Institute zunehmend zerrieben. Eine Chance tut sich für Dienste auf, die sich auch auf absehbare Zeit digital nur erschwert abbilden lassen. Dazu gehören beispielsweise unabhängige Finanzberatungen und Bevollmächtigungen, die sich bisher nicht über digitale Vertretungen lösen lassen.

 

Vom Getriebenen zum Antreiber werden

Banken könnten ihrerseits ebenfalls versuchen mutig in Branchen vorzudringen und sich über digitale Kanäle an kleine und mittelständische Unternehmen wenden. Kreative Angebote wie ein digitales Buchungsbüro mit passenden Rechnungsservices und direkter Anbindung an das Geschäftskonto oder ein auf diesem Wege ausgelagertes Mahnwesen können Lösungen darstellen. Anschlussfähigkeit zeigt dabei der Gedanken an den konkreten Kundennutzen und nicht die eigenen IT-Restriktionen.

Den Instituten ist zu empfehlen, sich intensiv mit den eigenen Möglichkeiten zu beschäftigen und auch mithilfe eines Marktüberblicks das eigene Kernbanksystem zu überprüfen und sich ggf. technisch entsprechend zu optimieren. Dazu gehören eine bewusste Beschränkung auf Kernfunktionen, modulare Erweiterbarkeit des Kernbanksystems und eine „IT der zwei Geschwindigkeiten“, um auch neben der Grundversorgung im Core-Bereich eine wesentlich agilere Ausrichtung am Markt zu ermöglichen. Grundsätzlich gilt: Jedes Geschäftsmodell kann sich mit einem gut ausgewählten Kernbanksystem realisieren lassen, oder auch: “auf jeden Topf passt ein Deckel“.


Autoren: Axel Wilkens, BR Business Reports und Raphael Vaino, Senacor Technologies

Die Aussagen von ING-CEO Ralph Hamers entstammen dem Handelsblatt, URL: www.handelsblatt.com/my/finanzen/banken-versicherungen/digitalisierung-der-bankenbranche-von-stellenabbau-facebook-und-dem-schluessel-fuer-die-zukunft/20284702.html, Abruf am 15.12.2017.